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Die Nationalsozialisten legten Wert auf die Konsistenz zwischen politischen Inhalten und grafischen Stilmitteln und bedienten sich zunächst der ›Volksschrift‹ Fraktur, deren Bezug zur deutschen Tradition so oft beschworen wurde.
In den ersten Jahren des Dritten Reiches entstand eine Reihe von vereinfachten gotischen Schriftentwürfen, von Setzern zum Teil auch ›Schaftstiefelgrotesk‹ genannt, wie z.B. die Gotenburg und Tannenberg.


 
  Fichte Walter Tiemann 1934-1939
Gotenburg Friedrich Heinrichsen 1935-1937
  Jessen Rudolf Koch 1924-1929
  Jochheim Deutsch Konrad Jochheim 1933-1935
  Post Fraktur Herbert Post 1935-1940
  Stahl R.Koch / Hans Kühne 1933-1939
  Tannenberg Emil Meyer 1933-1935
 Koch-Special Wallau Rudolf Koch 1926-1934


  Diese »gotischen Schriften von hölzerner Undifferenziertheit« (Weidemann) zeigen eine Tendenz zur Abstraktion und Reduktion auf die Grundformen, die in Vollendung bereits zur Entwicklung der Grotesk führte, siehe z.B. Paul Renners Futura, 1928. Der Vergleich illustriert treffend die bewahrende Methode der eher konservativen Gestalter im Gegensatz zum innovativen Denken der ›Bauhaus-Radikalinskis‹ (s.u.) wie Renner, Schwitters oder Tschichold. Doch selbst ein Paul Renner gestaltete unter dem Druck der politischen Verhältnisse 1937 eine gotische Schrift wie die ›Ballade‹.
 
 

Der ästhetische Geschmack der Nazis war alles andere als einheitlich. Hitler selbst hatte eine Vorliebe für Antiqua-Buchstaben, ob nun für die Anwendung in der Architektur oder auf Parteiveranstaltungen. Die UFA hingegen gestaltete ihre Filmplakate nach bewährter Hollywood-Manier. Die Verwendung vereinfachter gotischer Schriften ermöglichte zum einen expressive Schriftbilder von guter Lesbarkeit, zum anderen ließen sich diese Schriften mit den Anforderungen des modernen Maschinensatz vereinbaren.
Am 03.01.1941 wurde die Fraktur als offizielle deutsche Schrift abgesetzt und sogar als "Schwabacher Judenletter" verunglimpft. Der Grund: eine ›Nationalschrift‹ passte nicht so recht zur geplanten Weltherrschaft und als Besatzerschrift war die Fraktur eher untauglich.

 
  In typografischer Hinsicht wurde ›Entartung‹ definiert als die Tendenz zu abstrakt geformten Buchstaben und einer insgesamt mechanisch wirkenden Gestaltung. Heinrich Wieynck, Professor für Typografie in Dresden, lehnte die Neue Typografie ab:

Heinrich Wieynck in:
Gebrauchsgrafik, 1931



»Die Schrift unserer Zeit kann nicht nur aus nüchterner Sachlichkeit und primitiven Formen entstehen. Unser Zeitalter sucht trotz aller Standardisierung für seine Aufgaben einen vielfältigen, vergeistigten Audruck und neue Möglichkeiten formalen Reichtums.«
Dr.Albert Giesecke in:
Gebrauchsgrafik, 1930
»Schrift war nicht, ist nicht und wird nichts sein, was genormt werden kann; man kann wohl die Formate von Papier normen, aber nicht die
  Qualitäten. So sind die Druckschriftgrößen seit dem 17.Jahrhundert genormt,aber nicht die Schriftbilder. Dass diese Bewegung gerade von radikalen Revolutionären besonders gefördert wird, von der staatlich bolschewistischen Typographie in Russland, vom Bauhaus in Dessau, von Kurt Schwitters mit seiner Systemschrift, von Paul Renner und anderen Radikalinskis, sollte ruhig alle Urteilenden dagegen skeptisch machen.«
Gustav Stresow in:
Pennrose Annual, 1936



»Die schmale Linienführung der Fraktur verkürzt die oft vielsilbigen deutschen Wörter und harmoniert mit dem Rhythmus der Vokale und Konsonanten der deutschen Orthographie; kurz gesagt, sie ist synchronisiert mit der deutschen Sprache.«